[Rezension] Donna Tartt - Die geheime Geschichte (Gastbeitrag $02)
Heute meldet sich der Gastautor iRainer zu Wort. Viel Freude beim Lesen!
Bunny ist tot. Ermordet. Von seinen eigenen Kommilitonen. Es ist eine eher ungewöhnliche Art und Weise wie dieses Buch beginnt. In wenigen Sätzen ist das Verbrechen, dessen sich unter anderem der Ich-Erzähler schuldig gemacht hat, innerhalb der ersten Seiten erzählt. Man mag nun meinen, dass dies doch eigentlich jegliche Spannung vorwegnehmen muss – was folgt nun noch auf den übrigen 500 Seiten? Die Antwort wird einem aber unweigerlich klar, denn offen bleiben die Fragen „wieso eigentlich?“ und „wie wurde er ermordet?“. Und um eben diese Fragen dreht sich denn auch das eigentliche Buch.
So folgt nun auch die Zuspitzung der Ereignisse quasi einer parabelartigen Form: die erste Hälfte des Buches führt die Personen ein und erzählt, weshalb es den Ich-Erzähler überhaupt an ebendiese Universität in ebendieses Studienfach verschlägt in dem er seine verhängnisvollen Kommilitonen kennenlernt. Auf sehr detailreiche Weise lässt die Autorin den Leser am alltäglichen Studentenleben teilhaben, bis er selbst unweigerlich immer weiter ein Teil der kleinen Clique wird. Für entsprechende Atmosphäre sorgt hierbei auch, dass man mit einem umfassenden Fundus an altgriechischem Wissen konfrontiert wird: Fachsimpeleien über philosophische Sachverhalte zwischen den Studenten, Ausführungen des Dozenten, Griechisch-Hausarbeiten, Zitate usw. sorgen auch dafür, dass man hier sogar noch ein wenig hinzulernt ;) In der Mitte des Buches folgt dann endlich der Höhepunkt, das Ereignis worauf der Leser bereits die ganze Zeit gewartet hat: der Mord – und somit die Auflösung der Fragen des „warum?“ und „wie?“. Damit ist das Buch aber noch lange nicht zu Ende, denn nun folgt ein weiterer interessanter Part: die zweite Hälfte des Buches beschäftigt sich mit den Ereignissen in den Tagen, Wochen, Monaten und auch Jahren nach dem Mord und dem Schicksal der verbliebenen Protagonisten. Denn, auch dieses wird bereits zu Beginn verraten, die Mörder bleiben unentdeckt.
„Die geheime Geschichte“ illustriert auf interessante Weise, wie es dazu kommen kann, dass scheinbar gewöhnliche Menschen zu einem Mord fähig sind und insbesondere auch, wie diese anschließend mit ihrem Wissen über diese Tat und der Schuld zu leben haben. Zeitloser Schreibstil (die Handlung könnte ebenso gut im Jahre 1970 wie 2005 stattgefunden haben), detailreiche Charaktere, ein exzellenter Schreibstil und die ungewöhnliche Herangehensweise an eine Mordthematik machen das Buch in meinen Augen äußerst lesenswert.