Ein Hammer, viele Nägel

Diesen Beitrag schrieb ich 5 Jahre und 3 Monate zuvor; die nachfolgenden Ausführungen müssen heute weder genau so nach wie vor funktionieren, noch meiner heutigen Meinung entsprechen. Behalte das beim Lesen (und vor allem: beim Nachmachen!) bitte stets im Hinterkopf.

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ich hab ein Buch geschrieben, und dieses Buch hat mich durch die Lande geführt: Konferenzen, Messen, Events und natürlich jede Menge Gespräche mit ganz vielen sehr unterschiedlichen Menschen. Heute greife ich mal einige grundsätzliche Fragen hier auf.

„Warum eigentlich openHAB?“

Warum – so werde ich immer wieder gefragt – warum also beschäftige ich mich überhaupt mit openHAB? Wo es doch – das dann leicht provokant – so viele bessere Alternativen (sic!) gebe? Das erinnert mich auf unangenehme Weise an die haarsträubenden Debatten, die bezüglich Betriebssystemen (oder Editoren – vi vs. emacs, Hergott!) immer wieder stattfinden und für die mir meine Lebenszeit – sorry! – zu kurz ist: Windows ist nicht für jeden Anwendungszweck optimal; Linux mag in so manchem Kontext mehr nerven als nützen; macOS kann sich als ziemlicher Fail entpuppen. Und mit Werkzeugen – nichts anderes ist openHAB, ein Werkzeug zur Bearbeitung einer Aufgabenstellung – ist es nicht anders: es kann passen. Und es kann sein, dass etwas anderes in das persönliche Nutzungsprofil einer bestimmten Person besser passt. So what – glücklicherweise haben wir ja (inzwischen!) eine Wahl. Bleibt also die Frage nach dem „Warum“, und ihre Beantwortung gestaltet sich äußerst unspektakulär: ich arbeite mit dem Smart Home-Thema seit 2013; NodeRed war da gerade mal alpha, Home Assistant und ioBroker gab es noch nicht – die erschienen 2015 erstmalig auf der Bildfläche. Im Wesentlichen blieb mir daher die Wahl zwischen FHEM und openHAB… ich mag kein Perl… und die openHAB-Community war deutlich breiter aufgestellt… wie gesagt, extrem unspektakulär.

„Brauche ich ein Smart Home?“

Bei so pauschaler Fragestellung ist die Kurzfassung der Antwort: vermutlich nicht. Geht aber natürlich auch etwas ausführlicher: ja, ich habe dieses Buch geschrieben und damit eine Lücke geschlossen; das ist super für alle, die sich dafür interessieren und sozusagen nur darauf gewartet haben, bedingt im Umkehrschluss aber nicht meine dringende Überzeugung alle müssten sich jetzt ein Smart Home bauen. Ich würde sogar so weit gehen, dass diejenigen, die sich Gründe für die Etablierung eines solchen Systems konstruieren müssen, es vielleicht besser sein lassen. Denn es ist Gebastel und oft experimentell und erfordert kontinuierliche Beschäftigung mit und Weiterbildung in dem Thema – das alles üblicherweise in der Freizeit. Es ist völlig legitim, darauf keine Lust zu haben; da will ich auch überhaupt nichts Gegenteiliges behaupten.

„Soll ich mir $SENSOR kaufen oder lieber $ANDEREN_SENSOR?“

Ehrlich: keine Ahnung. Der Markt ist umfangreich, und ich habe weder Kompetenz dazu noch Interesse daran, kostenfreie Einkaufsberatung im großen Stil anzubieten – wie sollte das auch funktionieren? Was ich tun kann (und auf meinem Blog ja auch tue) ist, von meinen Erfahrungen zu berichten – Erfahrungen, die ich mit jener Hardware sammle, die ich täglich verwende. Und wer aus ethischen, politischen und funktechnischen Gründen HomeMatic zum Beispiel einfach Kacke findet, wird hier gegebenenfalls schlicht nicht fündig (und daran ändern auch wütende Zuschriften an mich nichts). Zum Glück ist das Internet groß und bietet inzwischen zahlreiche Ressourcen zu diesen Themen – und falls es hier Lücken gibt steht es jedem frei, diese selbst zu schließen, selbst zu bloggen, Howtos zu verfassen… einfach loszulegen.

„In $MEINEM_SYSTEM funktioniert alles super, warum sollte ich auf openHAB umsteigen?“

Ebenfalls gerne leicht provokant gestellt. Tja, warum solltest du? Warum wolltest du? Wenn doch alles „so wunderbar funktioniert“? Die Erwartungshaltung bei Fragen dieser Art scheint zu sein, dass ich jedes Problem als Nagel sehe und openHAB als den einzigen Hammer, mit dem ich draufhaue. Aber da muss ich euch enttäuschen – so ist es ganz und gar nicht, und ich halte keine Lösung für die letzte und einzige Wahrheit. Ich verstehe auch überhaupt nicht, warum Communities allemal diesen absurden Hang zur Verbissenheit aufweisen – macht doch einfach. So, wie ihr am besten zurechtkommt, es euch den meisten Spaß und Nutzen bringt, es euch am meisten entgegenkommt – fernab von Dogmatismus, und ich schwöre euch, dann macht’s gleich noch etwas mehr Spaß. Und zwar allen. Macht einfach – und lasst mich andere machen.

Mein persönlicher Ausblick

Mein produktiver openHAB-Host war ein UpBoard, ein Atom mit einer 32GB eMMC. Nachdem er sehr unübliches Verhalten an den Tag legte, verreckte er schließlich innerhalb von 24 Stunden final – sowas passiert (leider!). Ich stand also mit meinem Backup in der Schublade vor der Frage: was nun? Neues UpBoard? Wieder ein RPi? Ganz was anderes? Und ich entschied mich für „ganz was anderes“, zog den ungenutzten RPi3 aus der Schublade, legte das OH-Backup weg und installierte Home Assistant. Das heißt nicht (wie fälschlicherweise im Reflex gerne angenommen), dass ich damit openHAB den Rücken zudrehe, dass ich wechsle – ich, ausgerechnet ich… Leute, soviel Emotionalität, echt jetzt?

Ein ernüchternd hoher Prozentsatz aller IT-Probleme entspringt meiner Meinung nach persönlicher Bequemlichkeit; dem Unwillen, sich in fremde Gebiete einzuarbeiten, neue Arbeitsabläufe zu etablieren, umzudenken. Das schafft auf Dauer ein überaus toxisches Klima, ist der Tod jeglicher Innovation, ist Stillstand – schlimmer als Stillstand, ist konsequenter Rückschritt. Weder mein Kopf noch mein Blog wären das, was sie sind, wenn ich mich aus einer Mischung falsch verstandener Loyalität und Scheuklappen für immer an einer einmal erarbeiteten Lösung festklammern und Alternativen ausblenden würde. Ich will so nicht sein. Wer also wissen möchte, warum ich mit einem mir fremden System arbeite, obwohl ich ein anderes quasi auswendig kenne: weil ich es kann. Weil ich neugierig bin und grundsätzlich interessiert bin an allem. Weil es die prächtigste Art des Spielens für mich ist und spannend und lehrreich. Und ich liebe es.

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Hintergrundbild: Von der Sonne gebleichte Holzbohlen, 2019, 1500x 1000px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

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