Hubi, die Honda
Es gibt diese Träume, die man immer vor sich her schiebt. Die man immer mit sich herum schleppt. Und die man „irgendwann aber wirklich“ umsetzen möchte.
Aber wann ist „irgendwann“?
So in etwa war das mit mir und einem eigenen Motorrad: ich nervte meine Umwelt schon seit Jahren mit der Frage, ob ich mit einer Honda Transalp wohl zurecht käme. Ob ich groß genug und der Schwerpunkt geeignet für mich sei. Dass die Produktion eingestellt ist macht es nicht einfacher: zum Händler marschieren und eine Probefahrt vereinbaren ist keine Option, auch zum Verleih stand sie nirgends.
„Was brauche ich auch ein eigenes Motorrad?“ tröstete ich mich – ein Luxusproblem, wenn überhaupt. Aber der Gedanke blieb, ein tanzender Funke im Hinterkopf. Und immer, wenn er aufloderte, sondierte ich die Lage auf eBay-Kleinanzeigen. Ich stellte fest, dass die Gebrauchten gar nicht so unbezahlbar sind wie gedacht. Die Unverbastelten jedoch, die sich weitestgehend im Originalzustand und in der Nähe befinden, unfallfrei sind und möglichst unverballert – die sind nicht wirklich häufig. Und als ich die Anzeige der PD06 fand – 600cm³, 50PS, gefertigt in Japan, BJ 1995, in perfektem Zustand und nebst Koffern – dachte ich „hübsch“. Und begann unauffällig zu sabbern.
Eine Probefahrt, okay: dann würde ich wissen, ob Größe, Schwerpunkt und Gewicht zu meiner Person passen und die leidigen Fragen wären beantwortet. Der Termin war rasch vereinbart, der Verkäufer wirkte nett, das Wetter war gut. Ich rechnete fest damit, zu klein für die Maschine zu sein. Es war ein echter WTF-Moment, als ich draufsaß und dachte „Das passt. Verdammt!“ 😂 Und am Ende des (nicht sehr großen) Ortes schon wusste ich: das ist Hubi, und Hubi wird mein Freund. Es war sozusagen Liebe auf den ersten Kilometer.
Daran, dass ich nun von neugierigen Passanten angestarrt werde, muss ich mich erstmal gewöhnen; ursächlich ist da vermutlich auch die Kombination von Motorrad und coronabedingt sehr langem geflochtenem Zopf 😂 Die Summe aus kleinen Nichtigkeiten (Speichenräder! Doppelauspuff! Der Blinker tickt!), dem Zustand und dem Handling (ich kann sie sozusagen mit dem Hintern lenken) machen aus Hubi die perfekte Maschine für mich. Jetzt muss ich mir noch ein paar schlechte Angewohnheiten abtrainieren, um meinen Coolness-Faktor zu erhöhen. Beispielsweise will ich mich beim Anfahren immer mit dem Fuß abstoßen wie Fred Feuerstein; woher das kommt weiß ich wirklich nicht… Und vor allem muss ich die Ummeldung hinbekommen – was sich in Zeiten von Corona alles andere als einfach gestaltet. Denn:
„aufgrund der Corona-Krise darf dieser Fachdienst (sprich: jener der Online-Zulassungsbehörde) derzeit auch ohne elektronischen Ausweis genutzt werden“
Das ist grundsätzlich prima, funktioniert aber nicht.
„Leider können wir im Moment keine Verbindung zu Ihrer Zulassungsbehörde aufbauen und wir können Ihnen deshalb kein neues Kennzeichen anbieten. Sollte das Problem länger anhalten, nehmen Sie bitte Kontakt zu Ihrer Behörde auf.“
Das Bürgeramt lehnt die Existenz der Online-Zulassungsbehörde vollständig ab…
„Online ging das noch nie!“
Sie verweist mich darauf, einen Termin im Bürgeramt machen zu müssen. Bei dem Versuch erscheint allerdings sofort ein Hinweis, dass aktuell keine Termine verfügbar seien und man die Ummeldung bitte online vornehmen möge – und zwar über die Online-Zulassungsstelle. Laut Betreiber des Bürgerportals handelt es sich dabei um eine größere Störung, die heute hätte behoben werden sollen. Was nicht der Fall war. Ich schau mir das noch bis Freitag an, und wenn es dann immer noch nicht geht, werde ich zur Schonung meiner Nerven wohl einen Dienstleister in Anspruch nehmen müssen.
Aber das ist es wert, denn Hubi beschert mir Träume. Doch nicht diese gräßlichen und tödlichen der letzten Monate, weg von dieser Corona-Endzeitstimmung und der Hoffnungslosigkeit. Vielleicht nähert sich nun tatsächlich das Licht am Ende des Corona-Tunnels. Und vielleicht fahre ich diesem Licht auf goldenen Speichenrädern entgegen.
Hintergrundbild: Hubi die Honda am Tag ihres Kaufs, 2021, 1500x 690px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten