22. Januar 2020: Wie war dein Tag?

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Ich fühle mich wie der müdeste Mensch der Welt. Weiß ja auch nicht, wie es dazu kommt… oder doch? 🤨

00h10

Die Fische sind versorgt, einige Todos abgearbeitet, ich bin jetzt wach. Wobei „wach“ das falsche Wort ist, „aufgedreht“ trifft es irgendwie eher. Ich lege mich ins Bett, und da liege ich dann, neben mir das entzückende und sehr erkältete Vorschulkind. Es dauert lange, bis ich einschlafe, und dann träumt das Kind schlecht und rollt auf mich drauf. Später beginnt es zu schnarchen wie ein Holzfäller. So ein zarter Kinderkörper, und dann stößt der solche Töne aus! Vielleicht fühle ich mich ein wenig schlapp, als der Wecker klingelt.

07:00

Es gibt Brote, und die Schuldose muss bestückt werden. Die kichernde Kleine hat nur noch eine Socke, die genervte Große generell keine Lust auf den heutigen Tag – steht doch ein Schulausflug zum Beethoven-Konzert im SR-SendezentrumSR-MEDIATHEK an. Beethoven ist schon seit vielen Wochen Thema des Musikunterrichts, und eigenen Angaben zufolge hat sie die Nase voll davon. Auf der Fahrt zur Schule hören wir in die „Ungarischen Tänze“ rein, und Brahms versöhnt sie ein wenig mit der Welt. Die Kleine schleppt „Zahndose“ mit und macht ein unbeteiligtes Gesicht.

08:30

Nachdem ich beide erfolgreich in Schule und Kindergarten entlassen habe, eiere ich ins Büro: Kubernetes und Prometheus, Docker und Icinga 2, GitLab und Pipelines – die Zeit fliegt nur so. Viel Neues, vieles, das mir das Hirn verbiegt; aber am Ende des Arbeitstages eben doch sichtbare Ergebnisse, es geht voran. Ich wandere zu meinem geparkten Auto – neuerdings speichert das Handy immer den Parkplatz und prahlt dann damit rum; das tut es sogar, wenn ich in der eigenen Garage parke. Warum tut es das? Ich finde das Auto auch ohne GPS, die Sonne scheint, der Boden ist gefroren und an den schattigen Stellen erstaunlich glatt. Auf der Fahrt zu den Kindern bedauere ich, noch kein Diktiergerät zu haben – heute am Abend will ich das ernsthaft angehen, kann doch nicht sein, dass sich sowas allemal ewig hinzieht. Meine guten Ideen versuche ich mir zu merken und scheitere kläglich.

15:00

Am Tor steht die aufgebrachte Große und harrt schon meiner Ankunft; ihr Gesicht lässt vermuten, dass es rote Beete zu Mittag gab. Damit liege ich falsch – es gab „matschige Gnocci mit verkochtem Gemüse und ekliger Soße“. Aber der wahre Grund ihres Unmuts ist das wie vermutet nicht sehr unterhaltsame Konzert: die „Deutsche Radio Philharmonie“ wäre sicher entzückt von ihrer Einstufung „Fünfzehn Geigen, Mama, und keine klang nach Beethoven!“. Ich verbeiße mir das Lachen und versuche ihr wenigstens eine positive Sache zu entringen, aber sie hat den Tag schon in die Tonne gesteckt. Unvermittelt wechselt sie das Thema und erzählt von einem Fragebogen, den jedes Kind der Mittagsbetreuung ausfüllen sollte. Ganz viele Fragen seien es gewesen, also grob geschätzt so um die 200, und sie habe fast überall den wütenden Smiley angekreuzt. „Warum?“ frage ich erstaunt, und sie platzt empört heraus „NA WEIL ES KEINE FREITEXTFELDER GAB!“.

Glücklicherweise bringt die Kleine ein wenig Ablenkung – wir finden sie auf dem Außengelände des Kindergartens, buchstäblich eine „Matsch-Mumie“. Ich lasse mir von einer kleinen Gruppe Fünfjähriger die Regeln von „Matschpopo-Rutsche“ erklären. Spoiler: die sind nicht so kompliziert und ich will das jetzt auch versuchen. Darf ich laut Personal aber erst, wenn ich in Matschhose aufkreuze. Ist konsequent.

Wir fahren in die Stadt: ich probiere eine Hose (nein, keine Matschhose!) an, die ungläubigen Kinder bemängeln, dass diese „schweinchenrosa“ sei. Was ich mutig finde von zwei Grazien, die ihrer Mama gerade jeweils einen Schlafanzug-mit-Lebkuchenmännchendruck aus den Rippen geleiert haben. Die schweinchenrosa Hose kommt mit, und dem Mann-mit-Akkordeon geben wir das letzte Kleingeld, das ich mit mir führe. Was wenig später zum Problem wird, da der Geldautomat meine Karte nicht akzeptiert – was wurde eigentlich aus dem Versprechen, ING DiBa, man könne an jedem Automaten kostenlos Geld abheben? Heute essen wir auswärts (Pommes in Lockenform), und WeightWatchers kann mich mal. Die Kinder sind großartig, wir machen Quatsch und sind satt und froh und machen uns auf den Rückweg.

19:00

Der alte Mann spielt noch immer Akkordeon. Ob er wohl kalte Finger hat? Wir überlegen, was ihn aufwärmen würde. Die Kinder beschließen, ihm einen heißen Kakao kaufen zu wollen – gerade noch so erwischen wir einen, ehe der nette Segafredo-Mann seinen Laden abschließt. Er runzelt die Stirn, zwei Kinder und nur ein Kakao, komische Frau. Die Große trägt den Becher wie die Bundeslade, und der alte Mann freut sich sehr und trinkt sofort, und dann spielt er weiter und die Kinder tanzen dazu. Mein Vater hat auch so Akkordeon gespielt, früher, als er eben noch Akkordeon gespielt hat und wir alle noch jung waren, und als wir uns zum Auto aufmachen stimmt der alte Mann das Lied an, das mein Vater immer spielte, und ich weiß nicht einmal wie es heißt und ich verstecke meine Tränen unauffällig in der Dunkelheit.

19:30

Auf der Rückfahrt geben die Kinder alles zur Soundtrack-CD von „Eiskönigin 2“. Die Große übernimmt alle Stimmlagen, einschließlich Hintergrundchor und Rentier, die Kleine lacht sich schlapp und kuschelt mit ihren neuen Socken; „Zahndose“ singt auch mit. Die beiden unter die Dusche zu nötigen gelingt nur mit Bundeswehr-Tonfall, die Kleine ist („Hast du dich gewaschen?“) ziemlich müde und („Hast du deine Zähne geputzt?“) vergisst alles, woran man („Wo ist dein Kuschelzettel?”) sie nicht erinnert. Leider auch das, woran man sie erinnert. Die Kinder und „Robert“ und „Zahndose“ und „Kosel“ und „Männchen“ und „Snorri“ schweben in ihre Betten, und aus beiden Babyfons (-fonen?) kommt kein Mucks.

21:00

Ich bin auch platt, deshalb stelle ich schnell eine Maschine Wäsche an, ehe ich zu müde dazu bin, und betreibe Aquarienpflege. Ich lese endlich die Bedienungsanleitungen von Diktiergeräten, beschließe, welches meines werden soll, und leite Dinge in die Wege. Ich bin zugleich glücklich wie auch tief traurig: glücklich, weil ein Verlag – und zwar ein anderer als der, der mich schon kennt – gerne ein Buchprojekt mit mir angehen würde. Glücklich, weil ich davon schon immer geträumt habe, und ich auch stolz bin und überhaupt. Glücklich, weil ich mir kaum etwas Schöneres vorstellen kann als noch mehr Bücher zu schreiben. Und traurig, weil ich, um die Zeit dazu zu haben, meinen Job kündigen müsste – die Bücher mich aber nicht finanzieren. Ich weiß nicht, wie viele Bücher ich parallel in der wievielten Auflage am Start haben müsste, um davon wirklich leben zu können, aber ehrlich: es müssten schon einige sein.

22:00

Als die Aquarienbeleuchtung sich herunterdimmt und die Wäsche hängt, mache ich mir meinen Tee. Den mache ich mir neuerdings jeden Abend, weil ich, das Werbeopfer, dann gemäß Packungsaufdruck besser schlafe. Das funktioniert zwar nicht, aber zumindest schmeckt er gut. Ich fühle mich erkältet, und irgendwas, was ich in diesem Artikel unbedingt erwähnen wollte habe ich vergessen – weil ich eben kein Diktiergerät zur Hand hatte…

Wenn ich jetzt noch wüsste, warum ich so müde bin 🤔

Alle Bilder dieser Seite: © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten
Hintergrundbild: Regentropfen vor blauem Himmel, fotografiert durch das Glasdach meines Autos, 2020, 1500x 1125px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

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