Glückspfennig

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„Wünsch dir was“ sagte mein Vater zu mir, „denn wer einen Glückspfennig findet, der muss sich etwas wünschen. Und wenn man tapfer ist und niemandem den Wunsch verrät, dann wird er auch in Erfüllung gehen.“ Ich, staunend: das war mir neu. Und so umschloss ich den Pfennig mit der Faust und formulierte im Geiste meinen innigsten Wunsch.

„Wünsch’ Dir was forderte meine Großmutter mich auf, „denn wer zufällig Geld findet, dem ist das Glück hold. Nur danach suchen darf man nicht.“ Und ich formulierte meinen Wunsch und versenkte den Pfennig tief in der Hosentasche. „Pass gut auf ihn auf“ meinte mein Großvater, mit einem Nicken auf die Hosentasche weisend, „denn einen Glückspfennig darf man nicht ausgeben, sonst verliert man sein Glück.“ Und so begann ich, Glückspfennige in einem alten Glas zu sammeln. „Wünsch dir was“ sagte meine Mutter, „und gib den Glückspfennig jemandem, der auch ein wenig Glück oder einen freien Wunsch gebrauchen könnte.“ Und ich fand sie einleuchtend, diese Logik. Doch ich fand viele Jahre lang keinen Glückspfennig mehr.

„Wünsch Dir was“ sagte ich zu ihm und reichte ihm, während ich mir etwas wünschte, den soeben gefundenen Cent – Währungen ändern sich, Aberglaube ist beständig. Und er schaute mich verblüfft an, nahm die Münze und formulierte im Geiste seinen innigsten Wunsch, versenkte den Cent in einem Seitenfach seiner Geldbörse, denn einen zufällig gefundenen oder geschenkten Cent darf man nicht ausgeben. Das weiß jeder.

Wir betrachteten uns schweigend. Und wie immer frage ich mich, ob wir uns das selbe wünschten.

Erfahren werden wir es allerdings niemals.

Weil man ja zu niemandem darüber sprechen darf.

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