[Rezension] David Morrell – Creepers
Asbury Park, New Jersey – fünf Personen dringen nachts in ein seit Jahrzehnten leerstehendes Hotel ein. Sie suchen nach dem ultimativen Kick, doch der kommt anders, als sie es sich vorgestellt hatten. In dem halb verfallenen Gebäude ist die Vergangenheit unerwartet lebendig…
Es verwundert nicht, dass ich dieses Buch einfach lesen musste. Ob nun Creepers, urban explorers oder gar Infiltratoren, wie auch immer man sie nennen mag – die Thematik ist dem Leser in aller Regel fremd und schaurig. Und genau so beginnt dieses Buch. Beim Lesen des ersten Drittels spürte ich quasi den kalten Regen auf der Haut, ich hörte das Heulen des Windes und roch das Abgestandene, Muffige, das von vergessenen Versorgungstunneln ausgeht. Voller Spannung folgte ich den Akteuren vorbei an hermetisch verschlossenen Türen und Fenstern, durch enge schmale Gänge, hinein in seit Jahrzehnte verlassene Räume und Hallen. Ich spürte den Staub und die abgestandene Luft in der Lunge, erschrak vor Ungeziefer und Unrat und hallenden Stimmen in der Stille.
Das Hobby, die Leidenschaft, verlassene, gar abrissreife Gebäude zu begutachten, birgt vielerlei Gefahren: manche sind auch dem unbedarften Betrachter auf den ersten Blick ersichtlich (Statik verfallender Gemäuer, rostendes Metall oder faulende Holztreppen, die Gefahr, sich auf verlassenem Gelände zu verletzen), manche sind vielleicht nicht ganz so offensichtlich – Tiere, die sich hinter den schützenden Mauern zurückgezogen haben, Obdachlose oder auch Drogensüchtige. Und über all dem steht selbstredend der allgegenwärtige Tatbestand des Hausfriedensbruchs, sobald man fremdes Gelände betritt, mit allen sich daraus ergebenden Implikationen. Durchaus ergiebig, sollte man meinen, ausreichend Material für einen atemberaubenden Roman – wenn man davon absieht, dass der Großteil solcher Expeditionen völlig ereignislos abläuft, nicht selten sogar ergebnislos, weil man vor zugemauerten Eingängen steht, in leeren Räumen, nach kilometerlangem Marsch durch unwegsames Gelände, erschöpft, schmutzig, voller Kletten und von Dornen verkratzt. Doch zurück zum Buch.
Der Professor, der die Gruppe anführt, versucht seinen vier Begleitern zweierlei zu vermitteln: zum einen die bunte Geschichte des Hotels an sich, zum anderen „die Grundsätze der Creepers“ – was an sich schon unglaubwürdig ist, denn wenn man mal drin ist, hat man zum Quasseln in der Form weder Zeit noch Lust. Doch verfolgt auch der Professor selbst nicht die hehren „Ziele der Creepers“ – in Wirklichkeit ist er wohlinformiert bezüglich eines Goldschatzes, der sich im Hotel verbirgt, und während er sich von seinen drei arglosen Studenten schlicht Mithilfe verspricht, hat er mit der vierten Person einen – wie könnte es anders sein? – ehemaligen Irak-Kämpfer, der mit entsprechenden Traumata zu kämpfen hat, mit an Bord genommen.
Was nun folgt, ist eine turbulente, wenngleich recht vorhersehbare Kette von Ereignissen, mit ziemlich viel Krachbumm und verhedderter Ereignisabfolge. Die wirklich unvorhersehbaren Implikationen erweisen sich im Nachgang denn auch als die unlogischen, die nicht recht in den Rahmen passen – so ist beispielsweise im Hotel, dessen Decken und Böden schon bei kleinsten Erschütterungen einstürzen, das Penthouse ein Traum in Chrom und Leder, bewohnt und mit Gas-Wasser-Strom. Der Leser verfolgt mehr oder minder gelangweilt, wie ein Mitglied der Gruppe nach dem anderen (körperlich oder seelisch) verletzt oder gar vollends dahingerafft wird – gelangweilt deshalb, weil man zu den Akteuren keinerlei Beziehung aufbaut und sie bei genauerer Betrachtung alle gleichermaßen unsympathisch wirken. Die übrige Kulisse wirkt über Gebühr konstruiert – was ein Glück für den Autor, genau an jenem Abend in Asbury Park den Notruf ausfallen lassen zu können!
Für die grundsätzlich gute Idee und das durchaus fesselnde erste Buchdrittel würde ich drei von fünf Sternen vergeben; Abzug gibt es eindeutig für die wirre und Hollywood-mäßige Handlung, die vielen Explosionen und die erzwungenen Zufälle. Alles in allem eine kurzweilige Urlaubslektüre, allerdings nicht, was es auf den Favoriten-Stapel schaffen würde.
Und wenn ich mir einen Nachsatz erlauben darf: der Grundsatz, nichts außer den Bildern, die man macht, mit sich zu nehmen und nichts, vor allem keinen Unrat, zu hinterlassen, ist nicht aus der Luft gegriffen, versteht sich allerdings auch irgendwie von selbst; mir wäre allerdings nicht bekannt, dass jene, die diesem Hobby frönen, wirklich unterwegs in Flaschen pinkeln – man kann’s auch übertreiben. Wie das Buch uns glauben machen will ist es hin und wieder von Vorteil, in eine Flasche gepinkelt zu haben – aber nein. Glaubt nicht alles, was ihr lest! ;-)
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