Wurst mit Gesicht

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Der/ die eine oder andere hat sich beschwert, dass es auf der Präsenz so arg still geworden ist. Und ja, ihr habt ja recht! Um mich ein ganz klein wenig zu rechtfertigen, beschreibe ich euch im folgenden einen beispielhaften Tagesablauf, wobei der noch eine harmlose Variante darstellt…

6h01

Der Wecker klingelt. Das macht mir aber nicht so richtig viel aus, denn genau genommen bin ich bereits seit 40 Minuten wach, auch wenn ich so tue, als schliefe ich noch. Grunzen unterm Deckenberg verrät, dass der Mann es genauso hält. Währenddessen hüpft das Rumpelstilzchen abwechselnd auf unseren Bäuchen herum, schmeißt methodisch alle Püppchen, Rassel-Schafe und mein iPhone aus dem Bett und zeigt mit ausgestrecktem Finger auf die Tür – aufstehen, und das gefälligst jetzt gleich! Schließlich stößt es sich den Kopf und fängt an zu kreischen – leugnen hat keinen Zweck, ein neuer Tag hat begonnen.

7h00

Das Rumpelstilzchen sitzt in frischer Windel am Frühstückstisch und versucht, seine Finger in meinen Kaffee zu stopfen. Es gibt Leberwurstbrot, in schnäuzchengerechte Würfel geschnitten, die jedoch aufgrund des Belags auch prima an der Tischdecke, kleinen Daumen oder sonstwo kleben. Der Umweg über Brot wird ohnehin überbewertet, Leberwurst schmeckt auch so – denkt sich das Kind und schleckt an den künstlerisch gestalteten Brotquadraten. Im Grunde genommen will es ohnehin nur eines: von meinem Frühstück abbeißen, ganz egal, was ich da gerade esse. Während das Kind also mein Frühstück mampft, verhungere ich leise und erzähle zum hundertsten Male, dass das Männchen auf meiner Kaffeetasse „ganz dringend zocken muss, deshalb rennt es zum nächsten Automaten“. Pädagogisch nur bedingt wertvoll, rastet das Kind doch inzwischen bei jedem Notausgangsschild aus vor Freude…

9h00

Zeit für Hausarbeit. Während das Kind begeistert durchs Wohnzimmer sabbert versuche ich, Wäsche zu falten. In der Praxis bedeutet das: ich lege ein gefaltetes Handtuch in den Wäschekorb, und das Kind greift es, faltet es auf, legt es neben sich und packt einen Bauklotz drauf.

10h00

Das zweite Frühstück, da das Rumpelstilzchen dem Hungertod nahe ist. Während ich es in der Illusion leben lasse, es könne alleine prima mit dem Löffel essen, mache ich die Küche sauber und versuche, den umfallenden Wasserbecher, der umherspritzenden Obstbrei und das kichernde Rumpelstilzchen gleichermaßen zu ignorieren.

12h00 / Mittagspause

Das Kind schläft am besten ein, wenn man ihm tiefe, gleichmäßige Atemzüge vorlebt. Die Sache hat jedoch einen Haken: bis das Kind schläft, schlafe ich auch. Wir genießen also die gemeinsame Pause und tanken ein wenig auf.

Nachmittag

Einkaufen ist angesagt: Lebensmittel, Windeln und quadratische Wattestücke. Das Kind langweilt sich bereits drei Sekunden, nachdem ich es in den Sitz des Einkaufswagens gepflanzt habe, und möchte auf den Arm. Ich lenke es ab, indem ich ihm eine Pappschachtel mit Backzubehör in die Hand drücke. Wenig später hat die Schachtel ein Loch und das Kind ein mit Pappfetzen verschmiertes Mäulchen. Schließlich hält es eine Packung mit Gesichterwurst in den Armen und streichelt sie selbstvergessen.

Es ist jedoch eine olfaktorische Zumutung und nicht zu leugnen: das Kind braucht eine frische Windel. Die Windeltasche steht nützlicherweise im Auto und das Auto meilenweit entfernt. Ganz schlau erinnere ich mich daran, dass der Drogeriemarkt einen Wickeltisch hat, also steuern wir den an. Dumm nur: von den Dimensionen her ist der eher auf Neugeborene ausgelegt, das Rumpelstilzchen ragt an allen Enden deutlich darüber hinaus und lacht sich kaputt. Was jäh in wüstes Gebrüll umschlägt, als ich damit beginne, ihm die stinkenden Beinkleider vom Leib zu reißen.

Um sich zu beruhigen angelt sich das Kind alles, was es in den angrenzenden Regalen irgendwie erreichen kann. Ich habe alle Hände voll zu tun es davon abzuhalten, in die volle Windel zu treten beziehungsweise sich deren Inhalt in die Haare zu schmieren, also habe ich auch keine Hand frei es davon abzuhalten, das wildbeerenfrische Duschgel-für-Kinder aufzubeißen… Bis ich dazu komme hat es einen kleinen Schluck genommen, und da es sich immer noch bühnenreif aufregt, schäumt es nun nicht nur im übertragenen, sondern auch im ganz wörtlichen Sinne vor sich hin. Riecht aber sehr beerig dabei. Ich habe noch nie versucht, einem Kraken eine Strumpfhose anzuziehen, aber genau so muss es sich anfühlen – das Kind windet sich und tobt.

Abend

Ich habe mir irgendwas zu Futtern ausgedacht und zubereitet, alle haben gegessen und sind nun satt. Auf allen Vieren jage ich das Rumpelstilzchen durch die Bude, und schließlich schleppt es sein Bilderbuch an, macht es sich auf meinem Schoß bequem und wir „lesen“. Ich bin müde. Das Kind ist quietschfidel. Schließlich schläft das Kind. Nachdem ich die Wohnung in einen einigermaßen bewohnbaren Zustand versetzt und schnell noch die Waschmaschine angeschaltet habe, verschanze ich mich am Rechner und tue, was ein Sysadmin so tut. In der Regel komme ich so gegen 1:00 ins Bett; und dann beginnt auch schon der nächste Tag…

PS: So langsam läuft hier alles wieder in geregeltere Bahnen. Und ich kann euch versichern: so still wie in den vergangenen Monaten wird es hier nicht bleiben. Denn, wie ich in der Zeit meiner zwangsweisen Abstinenz feststellte: das Bloggen fehlt mir. Ihr fehlt mir. Und das hatte ich so eigentlich gar nicht erwartet <3 Ansonsten bin ich aber auch auf Ex-Twitter sehr aktiv, im Zweifelsfalle also einfach dort folgen – falls ihr das nicht ohnehin schon tut ;-)

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Hintergrundbild: Auto, Kuh und Frosch auf dem Wohnzimmertisch - alles ganz normal also, 2013, 1500x 1000px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

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