Neues Spielzeug im Hause localwurst

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Nachdem ich jetzt seit über zehn Jahren mit gebrauchten Nähmaschinen herumhantiert habe, habe ich vergangene Woche das Unfassbare getan und mit eine neue gekauft, eine eigene – eine wunderschöne Singer.

Ich bin mit Handarbeiten aufgewachsen, und dem Gelächter meiner Klassenkameraden konnte ich entnehmen, dass das schon in den 80ern nicht mehr unbedingt dem Standard entsprach; mein erstes Kissen habe ich im Alter von fünf Jahren bestickt, mit sechs wurde mein wehrloser Teddy in einen Pullunder eingestrickt und mit zwölf trug ich meinen ersten Handmade-Pullover in der Schule (zu dem Zeitpunkt kümmerte sich noch meine Mutter um das korrekte Vernähen der Einzelteile). Es folgten unendlich viele Püppchen und Kissen, Teddies und kompliziert geknotete Armbänder, einfache Gardinen und gehäkelte Wolldecken. Während dieses „Hobby“ jedoch ab Ende der 80er aufgrund der Woll- und Stoffpreise zu Luxus wurde, zeichnet sich in den letzten Jahren der umgekehrte Trend ab: Selbermachen lohnt sich wieder.

So verbrachte ich einen lustigen Augenblick damit, die Webseite eines Anbieters für Schnittmusterbögen und Handarbeitszeitschriften zu durchforsten. Da die ihr Zeug auch übers Internet zu verticken versuchen, findet sich entsprechend viel Marketing-Blabla auf den Seiten, was mit Headlines wie dem „Festival der Fransen“ schon losgeht. Ich persönlich kann Fransen und Quasten an der Kleidung nun herzlich wenig abgewinnen, aber der Trend geht – nun, wohin geht er eigentlich?

Offenbar ist gerade alles im Trend, von den eher strengen und schlichten Schnitten der 50er bis hin zu den Big-Shirts und Glitzer-Herzchen der 80er. Der Verlag erfindet haarsträubende Wörter wie „Seersuckerkarosakko“ und macht knappe, präzise Ansagen: „Machen wir’s kurz – der Minirock zaubert XL-Beine!“. Jaha – oder XL-Ärsche, je nachdem. Die Aussage ist ähnlich allgemein wie die Behauptung „Schokobrauner Teddyplüsch schmeichelt auf ganzer Linie.“ – das mag für Konfektionsgröße 32 vielleicht noch stimmen, ab Größe 40 sieht man viel mehr selbst wie ein überdimensionaler knuffiger Teddy aus.

Ein Ziel ist es immer, aus einem einzigen Schnittmusterbogen durch Variation möglichst viel herauszuholen; man hat die Freiheit, sich Stoffqualität, Farben, Garne frei zu wählen und sich ein Einzelstück zu schaffen, an dem man lange Freude hat. Aussagen wie „Ob der taillierte Streifenblazer sexy, sportlich oder elegant wirkt, kommt aufs Styling an“ stimme ich dennoch nicht unumwunden zu – es kommt schon auch drauf an, was darin steckt… Die Vorstellung von einem „aufwendig drapierten Dekollete“ ist eigentlich eher beängstigend, aber die Feststellung „der Gehschlitz sorgt für Bewegungsfreiheit“ bezog sich glücklicherweise lediglich auf die Bleistiftröcke der 80er.

Auch hier muss man also sorgfältig auswählen, vergleichen, abwägen; und während sich draußen das November-Sauwetter austobt, sitze ich drinnen im Warmen, höre Musik und ringe mit dem Unterfaden.

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