Zurück von der Düne

Zurück von der Düne
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Es ist faszinierend wo man landet, wenn eines der Hauptkriterien bei der Suche nach einer Unterkunft „ich möchte keine anderen Menschen sehen“ lautet.

„Ich will weg, weg von allem, weg von Menschen und von mir und meinen Gedanken – weit weg“ hatte ich in einem meiner letzten Artikel geschrieben, und so endete ich (wenn auch nur temporär) in einem entzückenden reetgedeckten Häuschen – zweigeschossig, mit kopfgesundheitsfeindlich niedrigen Decken und einem dunkelgrünen Kachelofen, der beeindruckende Teile des Untergeschosses einnahm; Stille.

Und diese Stille war umfassend: vor der Haustür stehend mit Blick auf den Deich war nichts zu hören außer dem Wind und dem Gepiepse der Meisen, und schlechte Scherze in Sachen Disneyprinzessinnenhaftigkeit drängten sich quasi von selbst auf; noch weniger „Punk“ geht nicht, zumal ich ja auch noch mein Stickzeug mitgeschleppt hatte…

Kachelofen

Stickenderweise und mit Teetasse am Kachelofen

Den Gepflogenheiten der Gegend entsprechend gab’s jede Menge Tee, und ich konnte mich sogar zum Kochen einer wärmenden Gemüsesuppe aufraffen. War das Wetter auf der Hinfahrt noch sehr anstrengend gewesen – von massivem Seitenwind über Regen, Schneeregen und Hagel war alles dabei – so wurde es am ersten Tag zumindest wechselhaft (was schon als Fortschritt zu werten war), ab dann jedoch perfekt – kalt zwar, wirklich kalt, aber klar, sonnig und zauberhaft. Und beeindruckend auch die Nächte, diese tiefschwarzen mondlosen Nächte mit einem Sternenhimmel, so undgeordnet und wild und klar und leuchtend wie ich ihn nur selten gesehen habe – und einer so vollkommenen Dunkelheit, dass ich mir im Bett liegend nie sicher sein konnte, ob meine Augen nun offen oder geschlossen waren 😂

Ich war bisher nur einmal im Leben an der Nordsee – zu Kindertagen, drei überaus verstörende Kur-Wochen auf Sylt – und was ich davon in Erinnerung behalten hatte (außer dem 10-Bett-Zimmer und dem ungenießbaren Essen) waren in erster Linie Feuerquallen, an den Strand gespülte Europaletten, übelriechendes Grünzeug und im Hafenwasser treibende Orangenschalen wie in allen Regenbogenfarben schillernde Flecke. Dass es auch anders geht durfte ich nun erfahren, und wirklich: ich wollte gar nicht mehr weg. Der Gedanke, irgendwann in meinem späteren Leben in Meeresnähe wohnen zu wollen geistert schon länger (und noch viel länger) in meinem Kopf herum, aber ganz so weit weg wie bisher angenommen muss es vielleicht ja gar nicht sein… Alterswohnsitz? Die Frage ist eher, ob man mit Dingen wie diesen wirklich bis zum Alter warten möchte. Hmpf.

Glaskugel

Irgendwann werd ich den korrekten Umgang mit dem Teil raushaben…

Der durchdringende Geruch von Holzrauch ist vermutlich wie Knoblauch: man merkt selbst gar nicht, wie sehr man doch stinkt! Meine Atmung („Sie sollten das unbedingt operieren lassen!“) machte deutlich weniger Probleme, Fahrt mit der Fähre; die Mini-Sonnenmilch, die ich eigentlich nur als Scherz („Haha, Sonnenmilch im Februar!1“) eingepackt hatte und die dann tatsächlich zum Einsatz kam; Friesenkekse auf Föhr (kann mir da bitte jemand ein erprobtes Originalrezept zukommen lassen? Es ist wirklich dringend!), Sonnenuntergang am Deich, mein Hautbild („Sie sind total allergisch, da kann man nicht viel machen…“) besserte sich schlagartig; Versinken im Watt, die Krokusblüte in Husum (Krokus, nicht Kokos! Die Palmen brauchen noch ein Weilchen!), die Rettung der Riesenkrabbe™; Fotos mit der Glaskugel (selbstredend bäuchlings im feuchten Sand liegend – wenn schon, dann richtig!), endlose Kilometer am Strand entlang spazierend… und die Luft… die Sonne… das Meer… das Meer… 🥰

Ich bin wieder zurück von der Düne, und ich habe es nicht geschafft den gesamten Frust dort zu lassen – aber doch zumindest einen Teil davon. Das hat es mir anschließend ermöglicht, den neuen Job mit Anstand anzugehen, eine Fast-Alltagswoche in Hamburg zu verbringen – mit Büro und Menschen und Katzen und Franzbrötchen und dem besten Döner in town™. Mein Leben im Saarland mit seinem täglichen Ablauf erschien mir derweil sehr fern, sehr unwirklich; inzwischen bin ich wieder im Saarland, und die Zeit in Hamburg erscheint mit sehr fern, sehr unwirklich –

Parallel universe.

Alle Bilder dieser Seite: © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten
Hintergrundbild: Sonnenuntergang an der Nordsee, 2022, 1500x 1000px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

Eure Gedanken zu „Zurück von der Düne“

Nicht jeder Gedanke erträgt Diskussion.
Das hier ist so einer.
Deshalb bleibt die Kommentarfunktion für Artikel dieses Bereichs deaktiviert.