Ehrlicher Finder, nachdenklich

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Ich war gerade dabei, ganz viel Sperrmüll-Blödsinn vors Haus zu schaffen, als mir ein 5-Euro-Schein vor die Füsse flatterte. In größeren Orten mag es hin und wieder vorkommen, dass jemand Geld verliert; hier jedoch, wo quasi kein Publikumsverkehr auf der Straße herrscht, ist es eine Seltenheit.

Suchend schaute ich die Straße hoch, die Straße runter – niemand zu sehen. Ehe der Schein weg flattern konnte, fing ich ihn ein und klemmte ihn unter meinen Scheibenwischer. Zwei Jungs kurvten auf kleinen Fahrrädchen durch den Ort. Es ist eine Eigenheit kleiner Dörfer, dass Kinder, Katzen und alte Leute sogar auf der Hauptstraße dauerhaft gute Überlebenschancen haben. Sie brüllten sich Nettigkeiten zu, die ich nicht verstand, und wurden plötzlich still, als ein Auto heranfuhr und die Fahrerin, offenbar die Mutter des kleineren Jungen, furchtbar mit ihm schimpfte und ihm mit sonstwas drohte Auch sie verstand ich nicht (der Slang des Dörfchens wird mir auf ewig ein Buch mit sieben Siegeln bleiben), und die Jungs zogen geknickt davon.

Etwa zwanzig Minuten später sprach mich eine mir unbekannte Fußgängerin an, und ich erkannte in ihr die Fahrerin des Wagens; ob ich nicht zufällig fünf Euro gefunden habe? Der Schein klemmte nach wie vor an meinem Scheibenwischer und ehrlich – ich hatte ihn total vergessen. Ich hüpfte hin, rupfte ihn ab und reichte ihn ihr. Ihre Freude und Fassungslosigkeit waren echt und ungeheuchelt; es stellte sich heraus, dass der Junge das Geld verloren hatte – und die fünf Euro offensichtlich das letzte Barvermögen der Familie für den Rest den Monats darstellten.

Kurz darauf kreisten die beiden Jungs heran und bedankten sich bei mir. Ich versicherte ihnen, dass das Verhalten für mich selbstverständlich war, und bekundete meine Hoffnung, seine Mutter sei nun nicht mehr allzu wütend auf ihn. Niedergeschlagen erzählte er, dass er am Wochenende das gesamte Haus putzen muss – sein kleiner Freund helfe ihm aber dabei. Fragend schaute ich den anderen Jungen an, und der meinte nur, leicht peinlich berührt, „Mitgehangen, mitgefangen“. „Da hast du aber mal einen wirklich guten Freund“ sagte ich, und beide strahlten mich an – ja, sie halten zusammen, egal was kommt.

Es machte mich nachdenklich; eine Familiensituation, so angespannt, dass fünf Euro zum Eklat werden. Zeitgleich die Mutter bei den derzeitigen Spritpreisen mit dem Auto auf die Suche in einem 270-Einwohner-Ort geht. Und zwei Jungs, die unerschütterlich an Freundschaft und Zusammenhalt glauben.

Und das an einem Montag, am frühen Abend. Einen Abend vor der Abholung des Sperrmülls.

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