Super-8: Geister der Vergangenheit

Super-8: Geister der Vergangenheit
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Ich sitze, ungläubig starrend, den Mund leicht geöffnet, kaum blinzelnd: bloß nichts verpassen. Der Rauhputz bietet nicht die ideale Projektionsfläche, aber das ist zweitrangig. Auch, dass mein linkes Bein langsam einschläft und Tränen in meinen aufgerissenen Augen anbranden.

Ein hell leuchtendes Rechteck am Rauhputz, grünlich und mit dunklen Sprenklern durchzogen; leicht flimmernd, hin und wieder dunkle senkrechte Streifen im Bild. Der Projektor rattert, doch das blendet man recht schnell aus. Jetzt – Bild. Unscharf, dann schärfer. Landschaft, Wald. Sie sieht so jung aus, nein: sie ist jung. Schlaghose, kurze Bluse. Seitenscheitel und rote Haarspange. Sein Lächeln – ich erkenne mich wieder. Die Haarfarbe! Meiner so ähnlich –

Es ist ein Braun Visacustic 1000 Stereo, ein exzellenter Super-8-Projektor, der mir flimmernde Bilder meiner Familie liefert; sowohl mein Vater als auch mein Großvater haben bereits in den 70er Jahren aktiv gefilmt, zu Hause, im Urlaub, und ich kann versichern: das bewegte Bild sagt deutlich mehr aus, als die Bilder in den Fotoalben es tun. Ich kannte diese Bänder nicht: der Familienprojektor versagte, als ich noch Windeln trug, und er wurde nie ersetzt. So entstand das ehrgeizige Projekt, diese Bänder zu digitalisieren: der Projektor war der erste Schritt. Gebraucht natürlich, aber in phantastischem Zustand, projiziert er den Film auf einen Telescreen Converter, an welchem wiederum die Canon EOS 60D mit 50mm Festbrennweite angedockt ist. Während der Projektor den Film mit 16,6fps abspielt, zeichnet die Canon mit 50fps (1280x720px HD) auf. Der erste Eindruck: es funktioniert. Die Farben sind okay, und das, was nicht passt, kann im Zweifel mit Premiere gerade gezogen werden. Die Qualität ist gut, besser jedenfalls, als ich bei »abgefilmt« vermutet hätte. Für die DVD kann man variable Tonspuren hinterlegen: Making-Of-Gelaber, Musik, das Rattern den Projektors. Man kann mit Standbildern lustige DVD-Menüs basteln und nachträglich sogar die Überblendungen richten an den Stellen, an denen sie nicht so 100%ig sind…

Doch die Wucht der Bilder, so unvermittelt, kommt einer psychologischen Schrotflinte gleich, die man sich an die Schläfe hält – und abdrückt.

Alle Bilder dieser Seite: © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten
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