Kamerad oder Spielzeug?

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Hier nun das Kapitel „Kamerad oder Spielzeug?“ aus der Informationsbroschüre „Kamerad oder Spielzeug?“. Die übrigen Kapitel findest du hier.

Die Frau ist die Trägerin des Lebens. Kennst du die bleichen Haare, die Furchen im Gesucht, die still blutenden Wunden der Herzen? Geh nur einmal da hin, wo die Frauen des Werkvolkes, die Frauen ohne Hut, die Frauen mit dem Korb am Arm, zu vielen beisammen sind, lass die Sprache dieser Frauengestalten auf dich wirken und du fühlst etwas vom Geheimnis des Lebens. Und das ist es, was du sehen musst, wofür du die Augen öffnen musst: die Frau ist Trägerin des Geheimnisses, sie ist ein anderer, ein ganz anderer Mensch. Sie ist Mensch, ja, zu allererst ist sie Mensch und verdient die Achtung, die jedem Menschen gebührt; jene Achtung, dass sie nie und nimmer als ein Mittel missbraucht werden darf. Die Frau steht heute neben dem Manne im Beruf, im öffentlichen Leben; sie führt kein Blümchendasein am Stübchen, sie steht als Gehilfin, Kameradin neben dem Jungmann. Was haben die Frauen gekämpft um diesen Platz im Leben. Eine Tapferkeit, sag ich dir, die einen neuen Tag ankündigt. Denn sie waren vordem ans Haus gebunden, sie führten das Leben von schwachen Geschöpfen, sie mussten froh sein, wenn sie geheiratet wurden, um versorgt zu sein, mussten sich also oft verkaufen an nichtswürdige Tyrannen. Das ist anders geworden.

Der Werkmann bedarf einer Kameradin, einer starken Frau, um mit ihr durchs Leben zu kommen. Eine solche nur hält sein Haus und seine Familie in Ordnung, und eine solche wächst nicht spielend und tändelnd heran. Die moderne Unzucht, die freie Liebe als Freibrief für das Tier im Menschen ist eine Erfindung der Kreise, wo man Zeit und Geld dafür hat. Dort ist heute noch die Frau viel niedriger eingeschätzt; sie ist das schöne Geschöpf, das sich fein machen darf, das Luxus und Mode mitmacht und ein Spielzeug ist und bleibt, und die Höhen des Lebens: Liebe und Treue, selten kennt. Für diese Kultur des Weibchens sollst du dich bedanken, Sohn des Volkes. Du bist glücklich dran durch dein Volkssein, dass du in der Frau die Kameradin auf dem Lebensweg und schwesterliche Treugenossin sehen kannst.

Freund, wir können uns heute keinen Gedanken denken, ohne die Umwelt der menschlichen Gesellschaft mitzubetrachten. Die Zeit verbraucht die Menschen rasend schnell. Darum wundere dich nicht, wenn du siehst, wie viele Frauen verbraucht werden und als Schutt auf den Kehrichthaufen der Vorstadt fliegen. Der schöngemachte und buntbehangene Schmetterling hat kein Leben in sich, und weh dem blinden Tor, dem Esel, der hinter einer hübschen Larve einen Menschen und eine Frau sucht. Er findet ein leichtsinniges Spielzeug, aber keine Hüterin des Lebens und keine Kameradin auf dem Lebenswege. Unsere Augen müssen sehend, und unsere Haltung muss treffend werden, um zu scheiden und zu trennen.

Fühlst du die Schmach, wenn Mädchen kommen und klagen, dass die leichtsinnigen Vögel, die ihren Leib nicht rein halten und billig zu haben sind, von den Männern umschwärmt werden, während die Mädchen, die etwas in sich haben und sich nicht ausstellen können, übersehen werden? So ist es. Der Mann hilft leider Gottes seiner Schwester noch wenig, dass sie über die Gefahr hinweg kommt. Er begegnet ihr eigentlich selten mit jener Ehrfurcht, die dem Gotteskinde und der Hüterin des Lebens gebührt und die ein Mädchen zum Nachdenken bringt, wenn es leicht mit dem großen Strom schwimmen sollte. Und wenn Mädchen kommen und klagen, dass die Männer gleich seien, dass sie an den Mädchen herumpoussieren - das Wort ist schon eine Schmach -, dass sie wie Studenten die Mädchen abknutschen wollten und dann laufen ließen, fühlst du die Anklage, und wagst du das einem Mädchen des Volkes anzutun?

Freund, die Trägerin des Lebens ist heilig; und um ihres Berufes willen muss dir jedes Mädchen heilig sein, und die muss es in die Seele schneiden, wenn du ein Mädchen siehst, das sich etwas vergibt. Dann: Mann an Bord, Mann der Ritterlichkeit. Nicht die Schwache stoßen, nein, die Schwester stützen. Ich höre manche sagen: Die Mädchen sind schlecht heute. Die verderben die Jungen. Das Wort schlag ich nicht in den Wind. Es ist viel Wahres daran. Das Weib ist wach geworden, und das Weib ist ein Dämon, eine unheimliche Gewalt, die entweder Segen oder Fluch verbreitet. Die Frau ohne Seele und Schamgefühl ist gefährlich für den Mann. Sie ist die Verführerin, die mit feinen Künsten ihren Leib anbietet und über den Tölpel triumphiert und ihn verlacht, weil im Leib die Treue nicht wohnt. Ja, es stimmt, die eine Seite ist nicht die verführung, die andere nicht die Tugend. Licht und Schatten sind gleichmäßig verteilt. Das entbindet aber nicht von der Verantwortung, das macht sie noch größer und heiliger. Indem du einem Mädchen nähertrittst, ladest du große Verantwortung auf dich. Die Scheu vor dem geheimnisvollen anderen Wesen ist wie ein herrlicher Schutz, dir und dem Mädchen. Selbst in der freien Kleidung von heute braucht diese Scheu nicht unterzugehen. Auf dem Gesicht steht etwas anderes als in der oft üblen Tracht, und mit dem inneren Auge siehst du, wenn auch schmerzlich berührt, die Seele, das Geheimnis der Schwester. Wenn so die Brüder, die Werkleute, um die Kinder ihres Standes einmal bangen würden, einmal um sie leiden würden!

In der Elektrischen (Einschub: Ich vermute, der Autor meint hier die „elektische Eisenbahn“) sah ich kürzlich ein Mädchen, das seine Röckchen nicht übers Knie ziehen konnte, von den Männern mit frechen, schamlosen Blicken angestarrt, die die paar Fetzen dem armen Ding noch vom Leib zu ziehen schienen. Eine schwüle Luft. Bis ein junger Mann in Arbeitskleidung es nicht mehr aushielt. Er sah nicht den schamlosen Leib, er sah die arme wunde Seele seiner Schwester. Unter seinem Blick wurde das Mädchen rot, und es fand sich wieder zu sich selbst, als er zu ihm sagte: „Fräulein, Sie sind doch zu schade für die unsauberen Menschen“, und seine Zeitung über die Knie des Mädchens legte. Die Nackten bekleiden! Ja, die nackten Seelen durch Ehrfurcht vor ihnen wieder bekleiden. Und mit dem Wort will ich schließen: Wer sich verantwortungslos gegen die Frau benimmt, wer ihre Schwäche ausnutzt und dadurch selber fällt, der häuft sich seine Strafe selber auf: er wird unfähig zur Ehe und zur Familie. Er bleibt ein welkes Blatt, ein unnützer Gast auf der Erde. Denn wer dem Leben begegnet, findet entweder Segen oder Fluch.

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