Kamerad oder Spielzeug - Vom Mädchen reißt sich...

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Hier nun das Kapitel „Vom Mädchen reißt sich…“ aus der Informationsbroschüre „Kamerad oder Spielzeug?“; die Kapitel werden in der Tat immer lesenswerter (finde ich zumindest)! Die übrigen Kapitel findest du hier.

Wie früh wird Bekanntschaft angefangen! Doch so oft zum Nachteil für zwei junge Menschenkinder! Nicht bloß, weil es zum seelischen Ruin führt. Nein, aus einem anderen Grunde noch. Eben weil sie beide noch nicht selber gebaut sind an Leib und Seele. Erst musst du mir selber gebaut sein, ehe du an dem Glück anderer mitbauen willst. Wie wird das leider heutzutage fast ganz vergessen! Doch ich will mich näher erklären. Du kennst aus der Schule noch Schillers Glocke. Nimm das Gedicht wieder aufmerksam zur Hand. Es wird dir heute mehr sagen als damals. So wundervoll ist da das Verhältnis von Jungen und Mädchen geschildert. Da heißt es: Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe… Warum?… Warum so stolz? Ihm ist – so um das 12. Jahr herum – das Mädchen zu zart, zu zimperlich, zu weichlich. Er würde es sich als Schwäche auslegen, jetzt noch mit dem „schwachen Geschlecht“ zu spielen, mit ihm umzugehen. Ihn, den gesunden Jungen, interessiert das Mädchen nicht. Sie ist ihm eine Null, mit der er nicht rechnet. Aber auch das seelisch gesunde Mädchen will mit ihm nichts zu tun haben. Mit dem wilden Knaben. Dem Rauhbein. Dem ungehobelten Flegel, wie es naserümpfend sagt. Warum diese gegenseitige Abneigung bei echten Jungens und Mädels? Sie wissen es nicht. Es ist etwas Unbewusstes. Etwas in ihrer Natur Liegendes. Etwas Gottgewolltes. Etwas Gesundes. Sie sollen sich eben erst selber bauen; ein jeder abgeschlossen vom anderen. In diesen Jahren soll jeder von ihnen seine Eigenart ausbilden. Der Junge soll ein männlicher Charakter werden. Sich erproben im Sturm jugendlicher Kämpfe. Er soll Herr seiner selbst werden, um es später über andere sein zu können. Er soll es in seinem Berufe zu etwas bringen, ohne dass jugendliche Flausen ihn dabei behindern.

Und das Mädchen? Es soll zur Jungfrau heranblühen. Soll seine weibliche Art ausbilden. Das Mütterliche, das Liebe, Feine, das echt Weibliche. Und das entwickelt sich im Stillen: fern vom Trubel. Weil sich ja auch ihr späteres Leben abspielen soll am stillen Herd. Nicht wie beim Mann in der Arena des Lebens. Und wenn so jeder in der Jugend seinen Weg gegangen; wenn sie, jeder in seiner Art, fertige Menschen geworden, dann auf einmal fasst sich ein namenloses Sehnen des Jünglings Herz. Jetzt steht mit züchtigen, verschämten Wangen die Jungfrau vor ihm. Sie beide fühlen: sie haben sich etwas zu sagen. Sie könnten sich etwas sein. Und nun beginnt der Liebe goldene Zeit, wo der Himmel offen ist…

Doch wohinein bin ich geraten? In einen Traum? Oder in eine Märchenwelt, die immer beginnt: es war einmal? Heute haben wir eine Verbubelung der Mädchen und eine Vermädelung der Buben, so höre ich sagen und klagen. Und ich muss dazu ja sagen. Weil man schon so früh miteinander läuft. Weil der eine zu früh und zu viel vom anderen annimmt, wo beide noch unfertig sind. Denn heute muss die Fünfzehnjährige schon ihren „Verehrer“ haben und der Siebzehn-Achtzehnjährige „seine Braut“. Wird er dabei nicht seinen werdenden männlichen Sinn, seine männliche Kraft vertun in Tändeleien und Schwärmereien? Und wie oft wird er erliegen dem Sturm, der über ihn daherbraust; wo er noch nicht stark genug geworden. Und das Mädchen wird dabei eine „Ausfrau“, verliert jede Fähigkeit zur späteren „Hausfrau“, wenn sie nicht noch tiefer sinkt… Wie steht’s da mit dem Aufbau deiner selbst? Bist du fleißig an der Arbeit? Oder lässt du es gehen? Vertändelst die schöne Jugendzeit mit nichtigen Träumereien und kindischen Spielereien? – Werd ein Mann und kein Männlein!

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