Waldgeflüster

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Ich erinnere mich kaum an den Moment, als ich ihn kennenlernte: mehrere Jahre ist das her, und ich hatte den Kopf voll, das Herz schwer und den Blick zu Boden gerichtet – ich nahm ihn kaum wahr.

Doch ich erinnere mich gut an den Moment, als ich ihn das erste Mal bewusst wahrnahm. Er war größer, als ich ihn in meiner verschwommenen Erinnerung hatte, stiller auch und abwechslungsreich sondergleichen. Mit jedem Tag entdeckte ich neue Details, und daran hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert. Das steinerne Antlitz des Soldaten am Denkmal, die Stelle am Strommast, an der man so wunderbare Sonnenuntergänge beobachten kann. Die angeknabberte Holzbank und der Baum mit den zwei Stämmen. Schwarze Krabbelkäfer, auf die man aus allgemeinen Solidaritätsgefühlen nicht treten sollte und Blindschleichen, die mutig ihrer selbstgeschaffenen Todesfalle entrissen werden müssen. Dunkelheit und der erschreckende Schrei einer Eule. Jogger und Radfahrer, Spaziergänger und büffelnde Studenten, Geocaches und Esskastanien. Nebelschwaden, Sonnenstrahlen, Nieselregen.

Und wieder und immer wieder Farben: sattes Grün im Juli, tiefes Grün in allen Schattierungen im August, erste bräunliche Spitzen im September, strahlendes Gelb und Rot und Braun und erstaunlich viel leuchtendes Grün im Oktober. Ich kann es kaum erwarten herauszufinden, womit er mich im Winter überraschen wird, denn überraschen lasse ich mich gerne, und langweilig wird es mit ihm nie.

Nein, ich habe kein einziges Foto gemacht, nicht in all der Zeit, ich – Manche Dinge lassen sich nicht in Bildern festhalten.

Alle Bilder dieser Seite: © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten
Hintergrundbild: 2448x 2448px, Bild genauer anschauen – © Marianne Spiller – Alle Rechte vorbehalten

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